Es ist Wähenzeit
September 2024
Ich tue mich oft schwer mit Entscheidungen. Gross und schwer liegen sie auf meiner Brust, kreisen in meinen Gedanken. Mit der Lautstärke eines Hochleistungsmixers melden sich die verschiedenen Argumente und Zweifel, wiegen sich gegeneinander auf. Wie der schlagartig aufkochende Rahm im Pfännli, der über den Rand zu schwappen droht.
Doch wenn es um das Backen einer Wähe geht, habe ich nie Zweifel. Die Lust auf eine Wähe kommt plötzlich und lässt keine Fragen mehr offen. Eine Wähe verbinde ich mit Wohlgefühl und Selbstliebe. Eine Wähe plane ich nicht in meinen Wocheneinkauf ein. Ich weiss ganz genau, was ich in dem Moment möchte: eine Wähe – buttrig, süss oder salzig, herzhaft.
Und ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, steuere ich die nächste MIGROS an. Auch beim Belag tue ich mich nicht schwer. Die Saison gibts meist vor, ob Apfel, Aprikose, Rhabarber oder Zwetschge. Und wenn sich doch leise Zweifel melden, landet noch ein Lauch für eine Lauch-Käse-Apfel-Wähe im Einkaufskörbli. Für eine Extraportion Selbstliebe vielleicht auch noch Schinkenwürfeli.
Der mit Eiweiss bestrichene und mit der Gabel eingestochene Kuchenteig ist schnell belegt mit gemahlenen Haselnüssen oder Mandeln, ein bisschen Zucker und der gewählten Frucht. Bereits 15 Minuten bei 180 Grad ohne Guss backen. Der in der Zwischenzeit vorbereitete Guss vereint alle Komponenten des Wohlfühlprogramms: ein Päckli Vanille-Zucker für die Seele, ein Becher Bifidus fürs Verdauen (von vielleicht schweren Entscheidungen?), das restliche Ei und einen Gutsch Rahm für die Selbst-Nachsicht. Den Guss über die Wähe geben und weitere 25 Minuten backen. Den Backofen für die letzten 7 Minuten auf 230 Grad (nur Unterhitze) erhöhen und die Wähe fertigbacken.
Neben Selbstliebe und Wohlgefühl steht für mich eine Wähe auch für Unabhängigkeit und die Zeit allein zu schätzen. Die eigenen Bedürfnisse kennen und lieben zu lernen. Und weil man ja eigentlich doch nie so ganz alleine ist, wird die Wähe bei bei spontanem Besuch von guten Freund*innen geteilt ;)
Apropos Unabhängigkeit und die eigenen Entscheidungen zelebrieren, ein Filmtipp: «C‘è ancora domani» mit überraschendem Ende und toller Message. Inspiration und Mut zum Ausbrechen bietet auch das Buch «Life Rebel» von Yvonne Eisenring. Dazu auf die Ohren am besten die Musik von «The Last Dinner Party» (im November übrigens zu Besuch im X-TRA). Neu gibt es auf Spotify täglich individuell für dich zusammengestellte Daylists – ich freue mich schon auf meine «independent girl power beats monday evening»-Playlist!