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Puderzuckermomente

Februar 2024

Zufrieden siebe ich Puderzucker über den Gâteau, der nach dem Backen in der Mitte einen unschönen Riss aufweist. Ein Indiz für die Unsorgfältigkeit und Ungeduld beim Teigdeckel draufstürzen. Doch mein Perfektionismus bleibt ausnahmsweise still. Als ob er weiss, dass er sich in Erwartung des unbestrittenen Genusses (I mean: Butter, Rahm & Zucker) zurückhalten muss. Nach grosszügigem Streuen ist der Riss kaum noch zu erkennen. Und sowieso – meldet sich der Verstand – muss ein selbstgebackener Kuchen doch auch seine kleinen (aber dafür umso süsseren?) Macken aufweisen.

Manchmal tue ich mich schwer damit, dass im Leben «alles möglich» sein sollte. Weil es das nicht immer ist. Und das zu denken, doch auch mit echt vielen Entscheidungen, Möglichkeiten und Druck einhergeht. Mich in Momenten, in denen nichts mehr sicher und richtig scheint, mir die Möglichkeiten, Selbstzweifel und Gedanken nur so um die Ohren fliegen, an ein klares Rezept halten zu können, gibt mir Halt. Zu wissen, dass ein Eigelb vermengt mit Schokolade, Zucker und Milch dickflüssig wird, gibt mir Trost. Mit Puderzucker die kleinen Fehlerchen und Unachtsamkeiten ausmerzen zu können, erfüllt mich mit Nachsicht.

Auch im Alltag würde ich manchmal gerne zum Puderzucker greifen. Dem Perfektionismus, den Erwartungen, dem Druck und schweren Gedanken den süssen Glücklichmacher entgegenstrecken, alles grosszügig weiss einstreuen und dann zufrieden denken: Eigentlich ist das Leben doch ganz schön.

Eine fette Schicht Puderzucker bietet das Album Renaissance von Beyoncé – am besten ganz laut aufdrehen, Mitshaken und Stampfen. Puderzucker macht sich besonders gut auf dem Gâteau de Payerne (Butter, Rahm & Zucker haben darin ebenfalls ihren grossen Auftritt, versprochen). Sich im Film Julie & Julia in der Welt der französischen Comfort-Küche verlieren und sich von den romantischen Quotes und Liebe zum Essen wohlig einlullen lassen. Den vor Gedanken und Sorgen grummelnden Bauch mit einer warmen Bettflasche beruhigen. Sich beim Warten auf den Bus auf die wenigen Quadratmeter Sonne stellen und die Augen schliessen. Das sind die kleinen Puderzuckermomente.

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